Alkoholfreier Wein – himmlisch oder halbgar?

Ich gestehe, dass ich ganz hin – und hergerissen bin!

 

Einerseits finde ich es eher unsexy, wenn jetzt so viel über alkoholfreie Weine gesprochen wird. Auf der anderen Seite bin ich auch von den enormen Fortschritten fasziniert!

 

Letzten Monat durfte ich auf der EUROVINO Messe einen Fachvortrag über „Entalkoholisierte Weine“ halten. Entsprechend habe ich mich in den letzten Monaten viel informiert und auch viel probiert.

 

Ich weiß, welche Frage Sie am brennendsten interessiert: Schmecken die Produkte? Ja – es gibt schon ganz gute Beispiele.

 

Bei Schaumweinen ist es eindeutig einfacher schon überzeugende Produkte zu finden. Zum einen gibt es da schon viele Jahre Erfahrungen durch die großen Kellereien, wie Schloss Wachenheim, Henkell Freixenet, Rotkäppchen Mumm, die schon lange das alkoholfreie Segment bedienen. Zum anderen ist die vorhandene Süße durch die Kohlensäure geschmacklich weniger im Vordergrund. Rund 68 % der entalkoholiserten Weine werden derzeit als Schaumwein angeboten.

 

Wir stellen fest, dass Alkohol ein wichtiger Geschmacksträger ist. Entsprechend muss er ersetzt werden, was am einfachsten mit Süße geht. Im Gegensatz zum herkömmlichen Wein schmeckt man 30 – 40 g Restzucker bei entalkoholisierten Weinen viel mehr als vollmundig, weniger als süß.

 

Und trotz der höheren Restsüße liegen sie kalorientechnisch unter einem herkömmlichen Wein. Eines der wichtigsten Verkaufskriterium  - vor allem für Frauen. 

 

Herstellung

 

Drei verschiedene Formen der Entalkoholisierung werden eingesetzt: Spinning Cone Column - Nach der Gärung wird der Alkohol mit einer Schleuderkegelkolonne entzogen, die den Wein mit Zentrifugalkraft in seine Bestandteile wie Alkohol, Wasser und Zucker zerlegt. Wird vor allem in Übersee und in Spanien angewandt.

 

Umkehrosmose (Nanofiltration)- Der Wein und der Alkohol werden durch eine halbdurchlässige Membrane voneinander getrennt. Dieser Prozess muss allerdings mehrmals durchgeführt werden, um den Wein auf < 0.5 % Restalkohol zu entalkoholisieren.

 

Heute sehr beliebt und weit verbreitet ist die Vakumverdampfung.   

 

Dabei wird dem Wein der Alkohol bei Unterdruck und Temperaturen um 30 °C schonend entzogen. Die mit dem Ethanol abgetrennten Aromafraktionen werden dem Wein nachträglich wieder zugeführt. Der dabei gewonnene Alkohol steht unter Zollverschluss – und er ist ein gefragter Weinbrand – ohne Fusselstoffe.

 

Carl Jung in Rüdesheim am Rhein

 

Übrigens - das erste Patent zur Vakuumdestillation wurde bereits 1907 vom Rheingauer Weinhändler Carl Jung angemeldet. Jung war ein visionärer Unternehmer. Maria Alt wollte einen Wein für Gesundheit bewusste Genießer. Zudem waren diese Weine auch während der Prohibition in den USA sehr gefragt. Heute hat sich Familie Jung ganz und gar der Entalkoholisierung von Wein verschrieben. Die gleichnamige Kellerei mit Sitz in Rüdesheim erzeugt heute rund 10 Mio. Flaschen alkoholfreie Weine für Weingüter aus der ganzen Welt.

 

Bei Familie Jung hatte ich eine sehr beeindruckende alkoholfreie Weinprobe. Ihr Sekt Blanc de Blancs kommt leicht und spritzig daher und gehört für mich zu einem der guten Vertreter.

 

Die Zukunft sehe ich vor allen bei den alkoholfreien Rotweinen. Bisher noch schwierig zu händeln, wegen der Tannine, gibt es aber schon außergewöhnlich gute Tropfen. Beispielsweise eine „Creation Rouge“ vom Weingut Zotz im badischen Heitersheim. Oder Zeronimo Century Blend aus Österreich ist die erste im Barrique gereifte Rotweincuvée, die nach 20 Jahren entalkoholisiert wurde. Beim Rotwein weiß man es sehr zu schätzen, wenn er nicht zu stark ist.

 

Fazit:

 

Ein entalkoholisierter Wein darf bis 0,5 % Alkohol enthalten.

 

Es gibt bestimmt Gelegenheiten, wie Schwangerschaft, Krankheit oder Autofahren, bei denen man um eine alkoholfreie Alternative dankbar ist. Allerdings müssen die Weine einer beanspruchenden Prozedur unterzogen werden, sodass er mit der Originalqualität nicht vergleichbar ist. Der technische Aufwand bedeutet 2-3.- € mehr pro Flasche – und bis zu 20 % Mengenverlust!

 

Teilweise werden die entalkoholisierten Weine mittlerweile aromatisiert, beispielsweise mit Tee, Ingwer oder Orangenschalen. Geschmacklich wirklich interessant – und ein guter Einstieg für junge Leute…        

 

Wenn Ihr auf der Suche nach einem Wein von außergewöhnlicher Qualität seid, entscheidet Ihr Euch bestimmt für einen, der so in die Flasche kommt, wie er gewachsen ist.