Jetzt geht es ans Eingemachte! Württemberg versus Baden?!

Jetzt geht es ans Eingemachte! Württemberg versus Baden?! Natürlich sind die Badener und Württemberger nach fast siebzig Jahren Vereinigung in vielen Bereichen zusammengerückt – dies gilt vor allem für die jüngere Generation. Die Vorurteile und auch die Frotzeleien schwinden immer mehr. Allerdings: mit einem Schmunzeln und bei genauerer Betrachtung lässt sich die eine oder andere unterschiedliche Tradition und Typizität noch erkennen.


Weinlese


Im Schwäbischen wird im Herbst bei der Lese häufig mittags für die Lesehelfer ein Feuer entfacht, damit grillen sie sich zum Beispiel leckere Würstchen. Können Sie riechen, wie lecker es duftet, wenn ein Würstchen auf einem Stecken ans Feuer gehalten wird? Hm – es ist so lecker! Und am zweiten Tag macht es auch noch Freude … Sie merken schon, worauf ich hinaus will: Ab dem dritten Tag weiß man zu schätzen, wie gut auch ein Eintopf schmecken kann. Letzteres wird in Baden noch öfter praktiziert, dort tischt die Frau des Hauses bei der Lese mittags gern einen großen Topf mit Linsen oder Gulasch auf. Und wem sage ich es? Bei körperlicher Anstrengung schmeckt ein Essen mindestens zehnmal so gut!


Trinkgewohnheiten


Seit jeher wurde in Württemberg mehr Rotwein als Weißwein kultiviert, was für Deutschland wirklich ungewöhnlich ist. Das war natürlich in erster Linie dem Trollinger geschuldet. Eine Winzerin sagte mir einmal: „Der Trollinger ist zwar ein roter Wein, aber kein Rotwein.“ Sie erklärte damit, dass der Trollinger tatsächlich leicht, hellfarbig und etwas gekühlt am besten schmeckt. Er lässt sich zu jeder Tages- und Nachtzeit trinken, und ich würde so weit gehen zu sagen: „Er tut nicht weh.“ Der eine oder andere erinnert sich vielleicht noch, dass früher die Oma oder der Opa gerne eine Flasche Trollinger im Schlafzimmerschrank aufbewahrte (dort war es am kühlsten) und sich morgens einen Schoppen genehmigte. Sie waren damals bestimmt den ganzen Tag über wunderbar entspannt… Ich kann mich noch erinnern, wie meine erste schwäbische Vermieterin nach drei Jahren schwärmte, dass der Trollinger in diesem Jahr so gut schmecke. Also trank sie Jahr für Jahr den Trollinger, auch wenn der Jahrgang vielleicht etwas säuerlicher ausfiel. Die Schwaben liebten ihren Wein, und so kam es, dass rund 95 Prozent aller Weine im Ländle selbst konsumiert wurden. Die Trinkgewohnheiten haben sich bei den jungen Menschen verändert. Sie trinken auch gerne internationale Weine und haben sich entsprechend an dunkelfarbigere, fruchtigere und kraftvollere Weine gewöhnt.


In Baden hingegen wurden Weine schon früh als Essensbegleiter angesehen, was natürlich auch mit der direkten Nachbarschaft zu Frankreich zusammenhängt. Bis in die 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts waren „süffige“ Weine – also Weine mit beträchtlicher Restsüße – gang und gäbe. Am Kaiserstuhl entstand Mitte der 1980er-Jahre eine Initiative hin zu trockenen Weinen. Als Essensbegleiter eignen sich die trocken ausgebauten Weine nämlich in aller Regel viel besser. Ein süßlicher Wein kann hingegen schnell sättigend oder auch pappig wirken. Baden war außerdem großer Vorreiter im Bereich des Spätburgunders. Einige Kaiserstühler Winzer (natürlich auch andere – Ausnahmen bestätigen die Regel) orientierten sich schon in den 1980er-Jahren am Ursprungsland Burgund. Ich kann mich noch sehr gut an den großartigen Jahrgang 1990 erinnern – da gab es die ersten großen deutschen Spätburgunder, die den Burgundern schon recht nahe kamen.


Spucknapf


Okay, dieses Thema betrifft jetzt eher die Fachleute. Sie können sich vorstellen, dass man nicht alle Weine trinken kann, wenn man beruflich mit Wein zu tun hat. „Spucken“ ist daher auch meine Devise. Hierfür gibt es eigens Spucknäpfe. Im Schwäbischen ist es aber oft noch schwierig, einen Spucknapf zu bekommen – den Winzern blutet dann wirklich das Herz. Vor fast zwanzig Jahren durfte ich die damalige Werbekampagne des Landes Baden-Württemberg „Wir können alles außer Hochdeutsch“ begleiten. Es gab im Fernsehen einen Film, in dem ich einen Wein verkoste, schlürfe und schmatze – und zum Schluss ausspucke. Die Württemberger Winzer waren damals regelrecht schockiert. Den guten Wein auszuspucken…


Schaffe, schaffe, Häusle bauen …


Bis heute wird den Schwaben nachgesagt, dass sie „schaffig“ sind. Ich würde das sofort unterschreiben. Man zeigt sich gerne von der fleißigen Seite. Dafür kommt auch entsprechend viel Erfolg zurück. Gerade im Weinbereich haben sie in den vergangenen Jahren ihre Hausaufgaben hervorragend gemacht. Früher galten ihre Weißweine als säuerlich, heute können sie sich auf nationaler Ebene locker mit den anderen Regionen messen. Die typische deutsche Rotweinsorte Spätburgunder war nicht die große Stärke von Württemberg, doch auch da können sie heute mithalten. Bei Lemberger und Rotweincuvées suchen sie ihresgleichen. Kein Wunder, dass die Württemberger mit ihren großartigen Rotweinen Jahr für Jahr auf dem Siegerpodest des Deutschen Rotweinpreises stehen. In Baden war man seit jeher mehr auf der Genießerseite unterwegs. Ich persönlich bin damit groß geworden, dass zum Essen ein Glas Wein dazugehört. So habe ich natürlich auch meine Liebe zum Wein entdeckt. Bitte verstehen Sie es nicht falsch: Es soll nicht viel Alkohol sein, aber ein Schluck Wein rundet natürlich jedes gute Mahl perfekt ab. Die Küche in Baden war schon zu früher Zeit außergewöhnlich gut! Es braucht eigentlich gar kein Sternerestaurant, man kann in ganz normalen Restaurants exzellent essen – und trinken. Einziger Wermutstropfen: in Baden wird lang nicht so viel heimischer Wein wie in Württemberg getrunken. In der Studentenstadt Freiburg werden die Weine oft nach dem Preis gekauft. Da bleiben die höherpreisigen badischen Weine manchmal auf der Strecke. Dabei lohnt sich die Investition in die regionalen Weine!