Steillagen – Gibt es sie in der Zukunft noch?

Wer unter uns ist nicht schon einmal an steil gelegenen Weinbergen vorbeigefahren – wie etwa in Hessigheim oder Besigheim in Württemberg oder in Durbach oder Neuweier in Baden? Sie sehen zauberhaft aus – und sind gefährdet.

 

Rund 1000 der 28.000 Hektar Weinbergflächen in Baden-Württemberg befinden sich in den sogenannten Steillagen. Und geht einem nicht das Herz auf angesichts der schönen Anblicke? Diese Rebhänge sind einfach spektakulär und zeigen eine herrliche, gewachsene Kulturlandschaft. Ab 30 Prozent Hangneigung spricht man von einer Steillage. Nicht selten kommen sie auf das Doppelte, was für die Winzer natürlich einen enormen Aufwand bedeutet. Die Arbeiten im Rebberg erfolgen im Allgemeinen von Hand, weil der Einsatz von Traktoren oder anderen mechanischen Geräten schwierig oder gar unmöglich ist. Das entspricht teilweise einem vier- bis fünffach höheren Aufwand als in einer relativ flachen Lage. Wenn der Erlös für diese Weine entsprechend höher wäre, bräuchten wir uns keine Sorgen um die Zukunft dieser Hänge zu machen. Aber das ist leider reine Illusion.

 

Tiefe Wurzel

Ganz abgesehen davon, dass sie eine Kulturlandschaft prägen, wachsen die Steillagenreben in einem besonderen Mikroklima. Die Sonnenstrahlung ist natürlich viel intensiver und die Reben verdecken sich nicht gegenseitig. Die Böden fallen in aller Regel karger und steiniger aus, mit einer guten Drainage, sodass die Reben sehr viel tiefer wurzeln müssen, um an Wasser und Nährstoffe zu kommen. Im Allgemeinen wird davon gesprochen, dass Reben 4-5 Meter tief wurzeln – in Steillagen mit felsigem Untergrund kann es auch bis zu 20 Meter sein. Solange die Reben eine gute Versorgung haben (fruchtbare Böden und Wasser), werden sie sich nicht so anstrengen und sich die Wurzeln eher flacher verteilen. Hochwertige Weine zeichnen sich vor allem durch ihre Mineralität aus, die erst zustande kommt, wenn die Reben älter sind und entsprechend ins tiefe Erdreich vorgedrungen sind.

 

Lieber Lavendel?

Schon lange überlegen sich die Fachleute, ob in der Zukunft statt Weinreben Lavendel oder Sonstiges angebaut werden sollte. Gott sei Dank unterstützt das Land Baden-Württemberg den hohen Aufwand für den Erhalt und die Bewirtschaftung des Steillagenweinbaus durch Fördermaßnahmen. Ein besonderer Dank gebührt dem Weinbauverband Württemberg sowie seinem Pendant in Baden, die sich intensiv für diese Unterstützung eingesetzt haben.

 

Obwohl „Fördermaßnahmen“ erstmal gut klingen, reicht es jedoch meist nicht aus, um dem Winzer einen Gewinn zu bescheren. Alles muss in Handarbeit gemacht werden. Wenn die Wengerter mit kleinen Weinbergtraktoren fahren können, müssen diese mit Steillagen-Notbremsen ausgestattet sein. Die großen Ballonreifen sind mit Wasser befüllt, um Gewicht zu haben. Wenn ein Gerät zur Bearbeitung aufgesetzt wird, braucht es Gegengewichte. Oder der Winzer investiert in eine Monorackbahn oder in sogenannte Steillagen- und Raupenmechanisierungssysteme – solche Investitionen lassen sich nur schwer amortisieren. In der Zukunft sollen mehr Drohnen zum Einsatz kommen, zur Weinanalyse oder zum Pflanzenschutz. Und natürlich fallen teilweise die Erntemengen geringer aus. Wenn schon finanziell kein Anreiz da ist, müssen wir dankbar sein, dass so viele Winzer mit Überzeugung die Steillagen weiter pflegen.